Frauenbewegung - Seite 2
Die "zweite Phase" der modernen Frauenbewegung in Deutschland
Die so genannte "zweite Phase" der Frauenbewegung formierte sich in Deutschland um das Jahr 1968. Da die Frauen nicht länger nur als "Freundin/Frau von..." betrachtet oder - wenn sie bis in vorgerückte Jahre unverheiratet blieben - als "Fräulein" angesprochen oder in Diskussionen, sofern sie überhaupt zu Wort kamen, nicht länger milde belächelt werden wollten, sammelten sie sich zu einer "Neuen Frauenbewegung". Im Januar 1968 formierte sich in West-Berlin, gegründet von sieben weiblichen SDS-Mitgliedern, der "Aktionsrat zu Befreiung der Frau". Wenig später entstanden auch außerhalb Berlins in anderen Städten Frauengruppen, so z. B. der "Frankfurter Weiberrat" (November 1968), der ebenfalls aus dem SDS hervorging. Sprunghafte Anstiege der Frauengruppen ab 1968/69 sind überwiegend zurückzuführen auf das veränderte politische Bewusstsein der Studentinnen der späten 1960er Jahre, auf eine veränderte sexuelle Einstellung, auf die antiautoritäre Bewegung und letztlich auf die Kampagnen gegen den Abtreibungsparagraphen § 218 StGB.
§218 StGB - Der Abtreibungsparagraph
Abtreibung stand seit dem Jahr 1871 in Deutschland grundsätzlich unter Strafe. Erst ab 1927 wurde von der Justiz Abtreibung in medizinischen Ausnahmefällen zugelassen. 1972 plante die sozialliberale Koalition im Rahmen der Strafrechtsreformen auch eine Abänderung des Abtreibungsparagraphen §218 StGB. Hierzu standen sich im Bundestag zwei Modelle gegenüber: CDU/CSU forderten eine "Indikationsregelung", welche eine Abtreibung weiterhin nur in medizinischen Notfällen zulassen wollte. SPD und FDP hingegen favorisierten die so genannte "Fristenregelung", laut derer eine Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei sein sollte. Am 26. April 1974 entschied der Bundestag mit knapper Mehrheit für die Fristenregelung. Als Reaktion zog die CDU vor das Bundesverfassungsgericht, das die Fristenlösung im Februar 1975 für verfassungswidrig erklärte. Aufgrund dieser Entscheidung wurde schließlich am 6. Mai 1976 eine Kompromisslösung verabschiedet: die "modifizierte Indikationsregelung". Sie besagt, dass der Schwangerschaftsabbruch innerhalb von festgelegten Fristen dann straffrei bleibt, wenn eine der folgenden Indikationen vorliegt:
Die Diskussionen des Bundestags und der Parteien um den §218 riefen in der Öffentlichkeit heftige Auseinandersetzungen hervor. Die Gegner des §218, zu denen vor allem die neue Frauenbewegung zählte, stellten das Persönlichkeitsrecht der Mutter in den Vordergrund, die Befürworter des Abtreibungsparagraphen, zu denen vor allem die Kirchen gehörten, pochten auf das Lebensrecht des ungeborenen Kindes. Obwohl die modifizierte Indikationsregel für damalige Zeiten vor allem bei der starken Gegnerschaft als Erfolg gewertet werden kann, ging diese Reform Teilen der Frauenbewegung nicht weit genug. Mit der Parole "Mein Bauch gehört mir" kämpfte sie für die komplette Streichung des §218 StGB.
Die Entwicklung seither
Nach der Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten im Jahr 1990 war die Rechtslage zur Abtreibung uneinheitlich. In den alten Bundesländern blieb die modifizierte Indikationsregelung in Kraft, während in den neuen Bundesländern die 1972 in der DDR verabschiedete Fristenregelung galt, nach der eine Abtreibung innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate straffrei blieb. Als Folge dieser uneinheitlichen Regelung beschloss der Bundestag am 29. Juni 1995 eine "modifizierte Fristenlösung mit "Beratungspflicht". Hier räumte der Staat dem ungeborenen Leben Vorrang vor den Grund- bzw. Selbstbestimmungsrechten der Frau ein. Laut dieser Lösung waren Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten zwar rechtswidrig, blieben aber straffrei sofern die Mutter mindestens drei Tage vor dem Abbruch eine offizielle Beratungsstelle aufgesucht hatte. Die Beratungspflicht entfiel, wenn für die Mutter körperliche bzw. seelische Gefahr bestand, also eine medizinische oder kriminologische Indikation vorlag. Ist eine der beiden Indikationen gegeben, bleibt ein Abbruch sogar noch bis zur Geburt zulässig. Begleitende soziale Beratungsangebote zielen allerdings darauf ab, dass sich die Mutter für das Kind und gegen einen Abbruch entscheidet. Auf Weisung von Papst Johannes Paul II. stellt die katholische Kirche als Teil des staatlichen Beratungssystems seit 1999 keine für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch erforderlichen Beratungsscheine mehr aus.