Profile der 1970er Jahre

Ein Themenportal des Seminars für Zeitgeschichte Tübingen

Weltwirtschaftsgipfel - Seite 2

Verschiedene Wirtschaftshistoriker vertreten die Ansicht, dass es sich bei dem Versuch, den Ölmagnaten des Nahen Ostens die Schuld für die weltweite Rezession Mitte der 70er Jahre zu geben, um eine Ausrede westlicher Politiker gehandelt habe, um dirigistische Maßnahmen zu rechtfertigen beziehungsweise um von der Tatsache abzulenken, dass die Ökonomien der westlichen Industrienationen nicht mehr durch Globalsteuerung lenkbar waren. Als Gründe werden genannt, dass die Mehrzahlungen für Öl damals lediglich 2% des Bruttosozialprodukts ausgemacht hätten, die Weltkonjunktur neben schwacher Inlandsnachfragen ohnehin schwächelte, wichtige Märkte (z. B. Elektroindustrie oder Textilien) gesättigt gewesen seien und Konkurrenz aus Fernost beziehungsweise den Schwellenländern hinzugetreten sei. Ferner seien aufgrund der Wirtschaftslage durch nichts zu rechtfertigende soziale Wohltaten verteilt worden, während gleichzeitig der Kalte Krieg hohe Militärausgaben verlangte.

Zum Ölpreisschock gesellte sich das Phänomen eines völlig durcheinandergeratenen Devisenhandels. Bis Anfang der 1970er Jahre hatte es, basierend auf dem Bretton-Woods-Abkommen vom Sommer 1944, für die wichtigsten Währungen feste Wechselkurse gegeben. Der Dollar, als Leitwährung in Gold abgedeckt, garantierte Kursstabilität. Mit zurückgehenden Wachstumsraten, der amerikanischen Verschuldung durch den Vietnamkrieg und der folgenden Auskopplung des Dollars aus dem internationalen Währungssystem begann ab 1971/72 eine kontinuierliche Talfahrt von ursprünglich 4 DM auf 1,72 DM. Dies wurde zur Belastung für jene Staaten, deren Wirtschaft einen Handelsüberschuss aufwies. Deutsche Exporteure, wie auch alle anderen in Europa, wussten nie, wieviel Geld ihnen nach einem Kontrakt in ihrer eigenen Währung bleiben würde, da international stets in Dollar abgerechnet wurde. Sie gerieten durch den niedrigen Dollar unter Preisdruck, welcher die Industrie wiederum zu großen Rationalisierungsanstrengungen zwang. Die Produktion war in dieser Lage nicht gut zu kalkulieren und der innereuropäische Markt geriet durcheinander. Im Zusammenhang mit floatenden Wechselkursen standen Devisenhändler vor großen Problemen. Um den Dollar nicht ins Bodenlose fallen zu lassen, hatten US-amerikanische Notenbanken Stützungskäufe tätigen müssen, was einerseits die amerikanische Wirtschaft belastete, andererseits den Kurs zwischen Dollar und anderen Währungen durcheinander brachte - ein Teufelskreis. Zu Stützungskäufen hatte auch die Bank of England greifen müssen, nach dem finanziellen Ruin verschiedener britischer Spekulationsbanken.

Vor diesem Hintergrund kommentierte der französische Staatspräsident Giscard d'Estaing das Zusammentreffen in Rambouillet: "Als Folge der Ölkrise hatten sich diese Kursschwankungen noch verstärkt. Sehr große Defizite hatten sich hier und da herausgestellt und die Frage war nun, sollten wir das geschehen lassen oder wollen wir und versuchen wir, das System zu stabilisieren. Wir stellten uns die Frage, gibt es einen einmütigen Willen großer Wirtschaftsnationen, um das Problem anzugehen und insbesondere die Rückkehr zu einer gewissen internationalen Währungsstabilität in die Wege zu leiten. und wir dachten, es wäre gut, unter vier Augen darüber zu sprechen." [Nachweis!!]

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