Profile der 1970er Jahre

Ein Themenportal des Seminars für Zeitgeschichte Tübingen

Weltwirtschaftsgipfel - Seite 3

Einen weiteren wichtigen Impuls für das Treffen in Rambouillet stellte die Erinnerung an die große ökonomische Katastrophe des 20. Jahrhunderts dar, die Weltwirtschaftskrise von 1929. Der so genannte ‚Schwarzer Freitag' hatte Millionen Menschen über Nacht arbeitslos werden lassen und wurde zu einem maßgeblichen Faktor für den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Die Beteiligten von Rambouillet hatten die Wirtschaftskrise in ihrer Jugend selbst miterlebt. Helmut Schmidt bezog sich in seinen Äußerungen direkt auf die Krise der 1920er Jahre: "Wohl aber muß man sich vorstellen, daß wir alle, die wir beteiligt waren damals, erfüllt waren von der Sorge einer wirklichen Weltwirtschaftsdepression, wie wir sie schon einmal erlebt hatten während unserer Lebenszeit." [Nachweis!!] Henry Kissinger dagegen betonte als Motivation für ein gemeinsames Handeln insbesondere die politischen Hintergründe des Kalten Krieges: "Ich war absolut davon überzeugt, daß die Herausforderungen auf dem Gebiet der Energiepolitik und der Weltwirtschaft genauso wichtig waren, wie die Herausforderungen, die der Kommunismus stellte, denn wenn wir keinen Erfolg hätten, ging die moralische und politische Grundlage unserer Versuche verloren." [Nachweis!!] Hierzu ist anzumerken, dass im Italien Aldo Moros die Kommunisten angesichts der wirtschaftlichen Lage kurz vor einer Regierungsbeteiligung standen - eine düstere Vision für viele westliche Politiker - und man sich mitten im Kalten Krieg befand.

In Rambouillet selbst wurden die Medien stark auf Distanz gehalten. Gegenüber dem Schloß befand sich in einiger Entfernung ein kleines Häuschen mit zwei Telefonen, über die von Zeit zu Zeit spärliche Informationen an Journalisten gegeben wurden. Ansonsten gab es lediglich zwei offizielle Pressefotos und einen gemeinsamen Kirchgang der Staats- und Regierungschefs in die naheliegende Dorfkirche am Sonntag sowie eine kurz gehaltene abschließende Presseerklärung am Tag darauf. Die Räumlichkeiten und das Ambiente des Schlosses erlaubten eine Mischung aus Arbeitsatmosphäre und Privatsphäre. Henry Kissinger kommentierte: "Wissen Sie, normalerweise haben wir, wenn Regierungschefs sich treffen, drei oder fünf Punkte auf der Tagesordnung - hier ist das Programm und Sie verhandeln schon über das Schlusskommuniqué. In diesem Fall wurden jedem bestimmte Themen zugewiesen. Jeder Vertreter einer Nation hatte ein Thema vorzubereiten und hielt darüber einen Vortrag und diese Themen waren ungewöhnlich gut durchdacht und halfen den Regierungschefs ganz entscheidend zu verstehen, worüber die anderen eigentlich sprachen, wenn diese besondere Vorschläge unterbreiteten. Und das ist oft wichtiger und man war auch offen - aber vor allem spielte sich das auf einem Niveau ab, das normalerweise von Regierungschefs nicht erreicht wird." [Nachweis!!] Helmut Schmidt betonte die positiven Auswirkungen dieser abgeschlossenen Runde auf die Arbeitsatmosphäre: "Und auch deshalb, weil keine Fernsehkameras im Raum drin waren und keine Journalisten und man in einem kleinen Raum zusammensaß, ein großes Zimmer könnt´ ich fast sagen oder ein sehr kleiner Saal und keiner konnte rauslaufen und seinen Pressesekretär beauftragen, seiner heimatlichen Presse zu erzählen, was für großartige Ideen der eigene Regierungschef gerade entwickelt hatte, weil man nämlich die Sache so gewählt hatte, daß die Presse an einem ganz anderen Ort war, weit weg vom Tagungsort. Das ist heute übrigens sehr viel schlimmer geworden. Heute sind diese Gipfeltreffen weitgehend heruntergekommen zu Veranstaltungen fürs Fernsehen." [Nachweis!!]

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