Attentat von München 1972 - Seite 2
Die deutsche Öffentlichkeit reagierte auf die Ereignisse mit Entsetzen und Angst. In der Presse wurde das Gefühl der Bedrohung ausformuliert: "Die Bundesrepublik befindet sich im Krieg. Mit den arabischen Terroristen und mit den Regierungen jener Länder, in denen sie ihre Mordpläne ungehindert aushecken können. Wer einwendet, es gebe keine Kriegserklärung, der wird vielleicht warten wollen, bis demnächst neue Geiseln genommen werden, um den drei festgenommenen Politgangstern zur Freiheit zu verhelfen." (H. Nannen, Wir sind im Krieg, in: Stern, Heft 39 / 1972, S.3)
Die Beziehungen zur arabischen Welt verschlechterten sich und wurden durch gegenseitige Schuldzuweisungen geprägt. Das Verhältnis zu Israel war nach den Ereignissen von München und vor allem seit die überlebenden Terroristen (wie im obigen Zitat befürchtet) in Zagreb am 29. Oktober 1972 freigepresst wurden, stark angespannt. Der damalige deutsche Botschafter in Israel, Jesco von Puttkamer, schrieb aus Tel Aviv, dies sei die "schwerste Krise zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel seit der Herstellung der diplomatischen Beziehungen." (M. Dahlke, Der Anschlag auf Olympia ´72, München 2006, S. 2). In der darauf folgenden Zeit erklärten sich die westdeutschen Medien mehrheitlich solidarisch mit Israel. Im gleichen Zeitraum besuchte Yasir Arafat mehrfach die DDR, wo ab 1973 eine feste palästinensische Vertretung eingerichtet wurde. Das palästinensische Unternehmen in München war gescheitert. Die deutsche und die israelische Regierung waren nicht bereit gewesen sich erpressen zu lassen. Golda Meir erklärte, dass wenn man jetzt nachgebe, kein Jude auf der ganzen Welt mehr sicher sein könne. Durch die Ereignisse von München wurden wiederum Juden in Deutschland getötet und weltweit die Erinnerung an das Dritte Reich wachgerufen. Das neue Bild von einem gewandelten Deutschland, welches man sich von den Olympischen Spielen erhoffte, wurde in der Außensicht von dem altbekannten überdeckt.
Im Namen der RAF kommentierte Ulrike Meinhof die Münchner Aktion des "Schwarzen September" mit solidarisierenden Worten. Die acht Münchner Terroristen hatten neben der Befreiung von palästinensischen Gefangenen auch die Freiheit von Andreas Baader und Ulrike Meinhof gefordert. Beziehungen zwischen deutschen linksextremen Gruppen und den militanten Palästinensern waren bereits schon einige Jahre zuvor aufgenommen worden. So wurden im Juni 1970 knapp zwanzig Sympathisanten und Mitglieder der RAF in einem Trainingslager nahe Amman militärisch geschult. In den Camps im Libanon, im Jemen und in Jordanien wurden auch Mitglieder der ETA, der IRA und der Irischen Nationalen Befreiungsarmee militärisch ausgebildet. Mehrfach kam es auch in deutsch-palästinensischer Kooperation zu Attentaten, so arbeiteten beispielsweise bei der Flugzeugentführung von Entebbe, 1976, zwei Mitglieder der linksextremen deutschen Organisation "Revolutionäre Zellen" mit der palästinensischen PFLP zusammen. Durch die Aktion sollten ebenfalls deutsche und palästinensische Gefangene freigepresst werden. Im Oktober 1979 entführte das palästinensische Kommando "Martyr Halimeh" (benannt nach dem Decknamen der in Entebbe ermordeten deutschen Terroristin Brigitte Kuhlmann) die Lufthansa-Maschine "Landshut" nach Mogadischu. Ihre Forderungen waren deckungsgleich mit denen von Entebbe. Diese Ereignisse machen deutlich, dass sich zu Beginn der 1970er das Konzept des Terrorismus wandelte. Das Bild des Geiselnehmers von München, der mit einer über das Gesicht gezogenen Mütze vom Balkon aus über das Leben der Geiseln verhandelte, wurde zum Symbol des neuen Terrorismus.
Terrorismus war zuvor regional beschränkt, doch spätestens ab den 1970ern gab es keine klare geographische Abgrenzung mehr. Der regionale Terrorismus entwickelte sich zum nationalen oder transnationalen Terrorismus. Terroristische Zellen und Strukturen wurden zu dezentralen und flexiblen Netzwerken verbunden. Das nächste Ziel eines terroristischen Anschlags konnte nun überall sein und bereits innerhalb weniger Stunden erreicht werden. Eine relativ geringe Anzahl von Personen war so in der Lage, eine globale Allgegenwärtigkeit zu demonstrieren und damit Angst und Unsicherheit zu verbreiten. Diese bis heute andauernde Entwicklung war ein Resultat aus mehreren Faktoren: der Revolution der 1960er Jahre (in den 60ern versuchten Terroristen verstärkt Regime "von unten" zu stürzen, Bsp.: Kubanische Revolution), der Einführung des Flugzeuges als Massentransportmittel und der Verbreitung des Fernsehens. Nun konnten Terroristen per Flugzeug in kurzer Zeit Ziele weltweit erreichen und ein Massenpublikum dazu zwingen, ihre Forderungen anzuhören. Damit änderten sich auch die Zielsetzungen: Ging es anfangs um regionale Gewalteinwirkung, kamen jetzt Ziele wie nationale oder globale Destabilisierung hinzu. Dabei wurde und wird zunehmend deutlich, dass es gegen Terror keinen effektiven Schutz gibt. Doch viele Regierungen entwickelten nicht nur Abwehrmethoden, sondern förderten sogar spezielle, ihren Zielen dienliche Terrorgruppen.